Für Erbfälle nach dem 16. August 2015 ist nach Art. 21 EU-Erbrechtsverordnung Nr. 650/12 das Erbrecht desjenigen Landes anzuwenden, in dem der Erblasser seinen „letzten gewöhnlichen Aufenthalt“ hatte.
Das Kammergericht (Beschluss vom 26. April 2016, Az. 1 AR 8/16) hat nun erstmals entschieden, was „letzter gewöhnlicher Aufenthalt“ eigentlich heißt. Danach kommt deutsches Erbrecht auch dann noch zur Anwendung, wenn der Erblasser in einem anderen Land gemeldet war und dort einen Großteil seiner Zeit verbracht hat. Entscheidend sei, ob – wie im vorliegenden Fall – dennoch eine „unverändert enge und feste Beziehung zum Heimatstaat“ vorhanden war, etwa wegen sozialer Beziehungen oder Vermögen und Einkünften in Deutschland (Erwägungsgründe 23 und 24 zur EU-Erbrechtsverordnung).
Der Sachverhalt: Ein deutscher Staatsbürger war Grenzpendler und lebte seit fünf Jahren auf der polnischen Seite der Oder, von wo er Kunden in Brandenburg besuchte.
In der Wohnung der Tochter in Berlin-Pankow behielt er formal einen Zweitwohnsitz, und ohne sich dort regelmäßig aufzuhalten. Eine Integration am neuen Wohnort Polen erfolgte allerdings kaum. Der Erblasser sprach auch kein polnisch. In das Dorf- und Vereinsleben war er nicht integriert, und seine persönlichen Kontakte beschränkten sich auf kurze Unterhaltungen. Eine neue Familie gründete der Erblasser nicht. Ärzte und Krankenhäuser suchte er nur in Deutschland auf, sämtliche Einkünfte erzielte er in Deutschland.
Anmerkung: Die Entscheidung des Kammergerichts zu Gunsten des deutschen Erbrechts ist ein warnendes Beispiel für die Praxis. Sie zeigt, dass bei der richterlichen Gesamtbeurteilung der Lebensumstände eines Erblassers der „letzte gewöhnliche Aufenthalt“ von dem abweichen kann, was man als Laie eigentlich annehmen würde – etwa bei der Errichtung eines an einem bestimmten Erbrecht orientierten Testamentes. Es empfiehlt sich deshalb, eine Rechtswahl zu Gunsten des eigenen Heimatrechtes zu treffen und zusätzlich ein „Bekenntnis“ in die Präambel des Testamentes aufzunehmen, mit welchem Land man sich am engsten verbunden fühlt, wo man selbst den sozialen und wirtschaftlichen Lebensmittelpunkt sieht aus welchen Gründen.
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